Den Musen bring’ und Opfer
bring’ dem Glücke,
Festhekatomben, welche
schneeweiß glänzen,
Begehrst du, daß dein Haupt,
schon reich an Kränzen,
Mit des Sonettes Lorbeer noch
sich schmücke.
Denn bald zersprengt mit
mörderischer Tücke
Der Masse Gluth der Form so
zarte Grenzen;
Bald fühlst du dich
ohnmächtig, zu ergänzen,
Die ein vollkomm’nes Werk
entstellt, die Lücke.
Doch raste nicht, bis dir ein
Guß gelungen,
Der blank und voll sich aus
der Hülle schäle,
Deß Glanz beschäme jede
Lästerungen;
Wo Schönheit all’ die Glieder
ohne Fehle
Mit gleichverteiltem Leben
ganz durchdrungen,
Des holden Leibs
allgegenwärt’ge Seele.
Zwar pflücket man die goldne
Pomeranze,
Die man in ferne Länder will
versenden,
Eh’ ganz sie reif, mit sorgsam
leisen Händen,
Noch unberührt vom stärksten
Sonnenglanze.
Auch mag ein Krieger, wenn der
Liebe Pflanze
Zu langsam keimt und schon die
Rasten enden,
Den Kuß der ungefäll’gen Lipp’
entwenden,
Eh’ er verschlungen wird vom
Waffentanze.
Doch übersättigt nur vom
Sonnenstrahle
Ergießen in Hesperien die
Trauben
Ihr dunkelrothes Blut in die
Pokale;
Nur vollgereiftes Lied erfreut
die Musen,
Und an der Liebe Gottheit
darfst du glauben,
Nur wenn sie zu zersprengen
droht den Busen.
Zu herrschen gilt es oder zu
befreien;
Nur durch die Masse trotzt man
den Gefahren:
D’rum möchten Hader sie und
Mißtrau’n sparen;
Doch stehn im eignen Lager auf
Parteien.
Du schreitest vor mit Zweien
oder Dreien,
Die bisher Eines Sinnes mit
dir waren;
Doch willst du dein Geheimstes
offenbaren,
So wirst du mit dem Letzten
dich entzweien.
Du willst im Hause Gottes
Frieden suchen:
Dort hörst du schaudernd von
des Priesters Munde
Am gräßlichsten, wer anders
glaubt, verfluchen.
Doch wolle nicht um Gunst,
verleugnend, werben,
Und eh’ dein Herz du zwingst
zu falschem Bunde,
Erwähle dir, als Eremit zu
sterben!
Obwohl, mein Vaterland, du
deine Dichter
Verfolgst oft mit prosaisch rohem
Hasse,
Der edlen Kunst verweigerst
deine Kasse
Und auszulöschen liebest deine
Lichter:
Obwohl du aufstellst finstre
Höllenrichter,
Die Tod ausgießen aus dem
Tintenfasse,
Und wie Tarquinius, zum
frevlen Spaße,
Durch’s hohe Mohnfeld wandeln als
Vernichter:
Doch will und kann ich niemals
dich vertauschen
Mit jener neuen Welt, die Alle
loben;
Ich höre dort noch keinen
Lorbeer rauschen!
Und kann der Dichter Vieles
auch entbehren:
Nie wird er dem Bedürfnis doch
enthoben
Nach Menschen, die ihm Herz
und Ohr gewähren.
Du dankest, Freund, dem
zarteren Geschlechte,
Deß’ heitrem Dienst Italien
dich geweihet,
Nachdem der Norden nüchtern
dich kasteiet,
Manch’ holden Rausch der froh
verschwelgten Nächte.
Du sagtest ab der Heimath
strengem rechte,
Wo man der Schönheit keine
Schuld verzeihet,
Die Grazie nie von Fesseln
sich befreiet,
Und sieht mit Hohn auf uns,
der Sitte Knechte.
Doch wir beneiden immer dich!
Verzichtet
Hast du, zu glauben an des
Weibs Verklärung,
Und liebst, vergötternd,
heidnisch ihre Mängel:
Doch uns, zum reinen
Priesterdienst verpflichtet,
Uns schwillt, geläutert selbst
durch die Belehrung,
Das sel’ge Herz von Wort und
Blick der Engel.
In diesen tiefgelehrten
Irrgewinden,
Wo ich den Schatz der Weisheit
wollte heben,
Doch ohne Fund, versenkt in
Angst und Beben,
Mich glücklich pries, den
Rückweg nur zu finden:
Da warfest du, o Muse, mir,
dem Blinden,
Den Faden zu, der noch dem goldnen
Leben,
Dem heitern Lichte mich
zurückgegeben,
Zu ew’ger Liebe mich dir zu
verbinden.
Ach, nicht wie Ariadne den
Heroen,
Erlösest du mich aus des
Irrsals Schauer!
Zu fern bin ich, o Göttin,
dir, der Hohen!
Ein flüchtig Mitleid war es,
ohne Dauer;
Längst bist dem Erdensohne du
entflohen,
Und meine Seele blickt dir nach voll Trauer.
Stumm lagerten die Heerden auf
dem Feld,
Der Mittag war so sonnig und
so schwül,
Mein durst’ges Auge trank des
Himmels Kühl,
Deß reines Blau
durchschimmerte mein Zelt.
Die Sabbathruhe schwebte auf
der Welt,
Der Leidenschaft, der Sorge
bunt Gewühl
Verschwamm mir in ein blasses
Lustgefühl;
Auf Ruhe war mein ganzes Herz
gestellt;
Da sah ich rastlos an den
grünen Hügeln
Den schmetterling um tausend
Blumen schweifen,
Und Kühlung weht’ er sich mit
eignen Flügeln;
Da dacht’ ich: Köstlicher noch
ist als rasten
Leicht über’s goldne Leben
hinzustreifen
Und göttlich frei zu sein von
seinen Lasten.
Aus grauer Vorzeit tönt herab
die Kunde
Von Berenice’s wunderschönen
Haaren;
Ein Kaiser selbst hat ihre
Macht erfahren
Und trug in tiefer Brust die
Liebeswunde.
Doch möchte wohl nicht zum
vollkomm’nen Bunde
Die Seele mit des Leibes Reiz
sich paaren;
Und nur die Locken, die ihr
Schönstes waren,
Erhob der Dichter Lied zum
Sternenrunde.
O möchtet ihr ein treu
abwägend Richten,
Das von der Milde nie sich mag
entfernen
Und reines Gold vom Staube
weiß zu sichten,
Aus der Vergött’rung jener Locken
lernen!
Das Mangelhafte muß sich
selbst vernichten,
Doch ungekränkt schwebt
Schönheit zu den Sternen.
Den Diamanten, die das Aug
ergetzen
Mit ihren bunten, wunderbaren
Strahlen,
Vervielfacht sich der Werth zu
tausendmalen
Nach stürmisch aufwärts
eilenden Gesetzen.
Wohl mag’s des eitlen Thoren
Herz verletzen,
Der liebt mit seines Goldes
Macht zu prahlen,
Wenn vom Regent er hört, den
zu bezahlen
Man nicht vermochte mit des
Nabobs Schätzen.
Wärst du, o Deutschland! nicht
so sehr zerschlagen:
Der größten Diamanten wärst du
Einer,
Und niemand dürft’ um dich zu
markten wagen!
Jetzt liegst du da beinah’ in
dreißig Splittern;
Du hegst ein köstlich Wasser,
wie sonst keiner,
Und mußt vor Juden doch und Christen
zittern!
I.
Gewähnt schon hatt’ ich, daß
mir neugeboren
Des Lebens frische Blume
wieder blühe;
Doch nun klag’ ich mich an:
daß ich zu frühe
Die Trauer um den Todten
abgeschworen.
Ein Schatten kam mir aus des
Traumes Thoren,
Sein Mund sprach leise Worte
nur mit Mühe:
„Vergißt du, daß noch meine
Asche glühe?
Ach, hab’ ich dein Gedächtniß
schon verloren?“
Wie tief der Vorwurf mir ins
Herz geschnitten –
Ich kann es nicht mit Worten
wiedergeben;
Die Thränen fühlt ich aus den
Augen stürzen.
Nun bin ich taub der heitern
Freunde Bitten,
Ich will mir selbst, will
meiner Wehmuth leben
Und nicht das heil’ge Recht
der Todten kürzen.
II.
Den Tadel hör’ ich wohl aus
manchem Munde:
„Warum denn immer noch des
Leides pflegen?
Kein Tapfrer noch ist solchem
Schmerz erlegen;
Es drang der Pfeil nicht zu
des Lebens Grunde.
So schaffe denn, daß bald dein
Muth gesunde!
Du mußt im Leben kräftig dich
bewegen!
Unmännlich ist es, noch der
Narbe pflegen
Der schmerzenlosen Spur
geheilter Wunde!“
Die Wunde heilt; doch saht
ihr, wie ein Name
Dem Bäumchen eingeritzt von
einem Kinde,
Verschwistert mit dem Stamm
ward groß getrieben?
Dies Bild – mich dünkt, es
paßt zu meinem Grame!
Stets schwillt er höher, doch
nicht in der Rinde:
Er ist in meines Herzens Herz
geschrieben.
III.
Wenn unerbittlich ist die That
geschehen,
Giebt doch das Herz sich
nimmermehr zufrieden,
Und was zu wenden ihm nicht
mehr beschieden,
Das will es doch in seinem
Grund verstehen.
So treibt mich’s, das Verhängniß
zu erspähen,
Das dich so rauh
zerschmetterte hienieden;
Warum am Fels, den Tausende
vermieden,
Du, Lenenswürd’ger, mußtest
untergehen?
Was trieb so früh dich in’s
unholde Grab?
war schon ein Riß im
köstlichen Juwele,
der bis zum innern Kerne drang
hinab?
Vergeblich ist’s, daß ich’s
mir selbst verhehle!
Dich tödtete dein Genius, ach,
er gab
Von Stahl den Willen in die
weichste Seele.
IV.
Der fleiß’ge Landmann, müde
von den Lasten
Der Woche, sieht den Sonntag
freudig kommen,
Wo er, im Tempel betend mit
den Frommen,
Vom ird’schen sauern Tagewerk
darf rasten.
Das Feierkleid sucht er hervor
im Kasten;
Wenn er das kräft’ge
Gotteswort vernommen,
Glüht frisch des Lebens Docht,
der matt geglommen
In der Alltäglichkeit zu
langen Fasten.
So sorg’ auch ich, daß mir das
freche Leben
Das Heilige nicht aus der
Seele wische,
Nicht untergrabe die gelobte
Treue;
In Thränen reinigt sich Gemüth
und Streben,
Wenn in der Trauer
einsam-ernster Nische
Ich den Erinn’rungsschmerz um
dich erneue
V.
Oft drängt im Schlafe
furchtbar sich die Hyder
Der Angst an unser Herz mit
grimmen Bissen;
Von einer Blutschuld färbt
sich das Gewissen,
Entsetzen schleicht durch’s
Mark und lähmt die Glieder.
Die Wucht des Grames beugt die
Seele nieder;
Da blitzt es plötzlich in den
Finsternissen,
Des Traumes Binde hat der
Geist zerrissen;
Wir athmen leicht im goldnen
Tage wieder.
So ist mir oft, als könnt’ ich
mich ermannen,
Mit guter Botschaft mich zur
Freude wecken
Und diesen Gram in’s
Fabelreich verbannen;
Doch keine Träume sind es, die
mich schrecken;
Lebendig, unzerreißbar, wie
die Schlangen
Laokoon, hält mich der Schmerz
umfangen.
I.
Was kamst zu schaun du in dies
Land so hold?
Willst du, gehüllt in
purpurfarb’nen Sammt
den greisen Priester sehn beim
heil’gen Amt?
Bist du der Kunst, der
göttlichen, im Sold?
Hat die Granate, der Zitrone
Gold
Dem bleichen Fremdling solchen
Wunsch entflammt?
Vernahmst du, daß man hier
nicht streng verdammt
Die Liebesgluth von Tristan
und Isold?
Lockt dich das Bild der Welt
beim Karneval?
Der Leichtsinn, gaukelnd auf
der Vorzeit Gruft?
Der heiße Wein, umlaubt noch
im Pokal?
Pompeji’s Fund? Der Tiber
rost’ger Raub?
Die Geister, tanzend in des
Meeres Duft?
Der frischen Schönheit Glanz
und heil’ger Staub?
II.
O nichts von diesem! Gönnt mir
eine Stätte,
Sei es im Hain, sei’s unter
Tempelsäulen,
Wo von Apollo’s scharfen
Todespfeilen
Ich, schwergeängstet, meine
Jugend rette!
Laßt ruhen mich im Laub und
Blumenbette,
Daß seine Blicke mir vorübereilen,
Daß Wohlgerüche stärken mich
und heilen,
Und ich gewinnen mag die
theure Wette.
Ich fleh’ euch Götter,
Menschen, Bäume, Rosen!
O laßt nicht weiter den
Verfolger streben,
Und mir vergönnet Rast, dem
Athemlosen!
Daß ich, von eurer Schönheit Wall
umgeben,
Unangefochten länger noch darf
kosen
Mit meinem innigtrauten, süßen
Leben!
1807 - 1890
Des Menschen reinstes Bild
möcht’ ich ergründen;
Soll ich ihn suchen, wie er
glüht am Morgen,
Wo noch der Geist gebunden und
verborgen
Allmählich nur die Triebe sich
entzünden?
Wenn Kraft und Weisheit sich
im Mann verbünden,
Doch schon die Beute lastend
schwerer Sorgen,
Von bessern Tagen er die Lust
muß borgen,
Die nicht mehr sprudelt aus
der Seele Gründen?
Oh dann, wenn von der Jahre
Schnee geschmücket,
Dem edlen Baume gleich, dem
halbgefällten,
Der Greis mit schmerzlich
lächelndem Entsagen
Zu seinem offnen Grab hinab
sich bücket,
Dem wunderbaren Spiegel
bessrer Welten,
Ihm eine neue Jugend
abzufragen?